Impressionen Mittelwellensender Nautel 801 kHz

Der Bayerische Rundfunk ersetzte im Jahre 1994 den damaligen Röhrensender mit 2 x 300kW durch einen moderneren Transistorsender 2x Nautel ND50 mit insgesamt 100kW. Die modernere Technik ermöglichte einen für Röhrensender unerreichbaren Wirkungsgrad von über 80% und damit neben der geringeren Sendeleistung nochmals eine deutliche Senkung der Stromkosten für den laufenden Betrieb. Nach über 20 Jahren im Jahre 2015 wurde der Betrieb auf Mittelwelle endgültig eingestellt, die Verschrottung des Senders drohte! Dank der guten Verbindungen unseres Mitglieds Daniel Paul zum BR konnte dies verhindert werden. Der BR erklärte sich bereit, uns den Sender zu überlassen, wenn wir selbst für den kompletten Abbau sorgen, sozusagen Arbeitsleistung gegen Schrottwert!

So rückte am 03.05.2016 eine ganze Mannschaft mit 12 Leuten vom Rundfunkmuseum an und demontierte den kompletten Sender samt aller Anpassvorrichtungen im Antennenhaus und Umschalter. Dankenswerterweise waren bereits die umfangreichen Lüftungs- und Kühlinstallationen demontiert worden. Der Sender bestand aus 12 zusammenmontierten Schränken, die zunächst natürlich einzeln zerlegt werden mussten, um sie überhaupt transportieren zu können.

Da die ganze Aktion an einem Tag durchgeführt werden musste, war der Abbau nicht ganz zerstörungsfrei durchzuführen. Die ganzen Kabelbäume zwischen den einzelnen Schränken mussten mit der großen Kabelschere durchtrennt werden und für einige HF-Kabel war gar eine Flex erforderlich! Wenn 12 Mann richtig anpacken, war dann zum Erstaunen der Belegschaft des BR bereits am frühen Nachmittag alles zerlegt und auf dem großen LKW der Firma Haimerl verladen und mit vielen Tonnen Material ging es dann auf den Rückweg nach Cham.

Wiederinbetriebnahme:

War zuerst nur daran gedacht, Teile des Senders im Museum einzeln aufzustellen, so reifte bei Michael Heller bald der (fast unmögliche) Plan, den Sender doch in Teilen wieder betriebsbereit zu machen! Glücklicherweise haben wir zu dem Sender auch alle Unterlagen bekommen und so ging erst einmal das Studium der Stromläufe los. Nach einiger Überlegung erschien das Vorhaben machbar, allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten, waren doch alle Kabelbäume einheitlich mit weißen Kabeln ausgeführt worden, was das spätere Zusammenführen der richtigen Anschlüsse nicht gerade erleichterte! Hier zahlte sich die Geduld von Hans Schweiger aus, der unermüdlich die Kabel durchklingelte und teilweise auch nur anhand des Kabelquerschnitts entscheiden musste, welche Kabel zusammengehören!

Es wurde nun 1 Netzteil, 2 Endstufen-Schränke, der Steuersender und der Filterschrank zusammen mit Teilen des Combiners wieder aufgebaut und verdrahtet. Natürlich musste erst ein Drehstromanschluss geschaffen werden für das Netzteil, immerhin mit einem 55kVA Transformator!

Alle Teile des Senders waren natürlich für die ursprüngliche Leistung von zwei Mal 50kW ausgelegt aber hier sollte ja nur zur Demonstration eine geringere Leistung erzeugt werden. Wir haben daher nur 2 Endstufen-Module angeschlossen und in Betrieb genommen, damit musste aber auch die Ankopplung an das Trägerfilter geändert werden, da die restlichen 22 Einschübe nicht mehr angeschlossen sind. Hier wurden nach einigen Filterberechnungen speziell die Ankoppelinduktivitäten geändert, um eine entsprechende Impedanztransformation zu erreichen. Letztlich werden so mit den beiden aktiven Einschüben eine Trägerleistung von ca. 2kW erreicht, da ohne größere Änderungen keine optimale Impedanz-transformation zu erreichen ist. Für unsere Zwecke aber genügend Leistung. Die Bereiche der Anzeigeinstrumente wurden auch um den Faktor 10 abgeändert so, dass bei diesen Leistungen eine vernünftige Ablesung möglich ist. Die ursprünglichen Brückenwiderstände des Combiners wurden als Dummy-Load verwendet, die Belastbarkeit dieser Widerstände ist dafür ausreichend. So kann der Sender betrieben werden ohne unzulässige Ausstrahlung.

Nach einigen Abgleich- und Einstellarbeiten war es dann soweit. Der Sender arbeitete wieder und ließ sich wie früher im regulären Sendebetrieb einwandfrei modulieren und auf die gewünschte Trägerleistung einstellen. Die Freude war groß und damit schien zunächst alles Mögliche zur Demonstration unseres Senders getan zu sein!

 

Wiederaufnahme des Sendebetriebs

Nachdem wir erfahren haben, dass es prinzipiell möglich sei, mit geringer Leistung senden zu dürfen, hat Michael Heller über die Stadt Cham den Antrag auf eine Sendelizenz gestellt und,  was man vorher nicht zu hoffen gewagt hatte, es kam tatsächlich von der Bundes-Netzagentur die Genehmigung für einen Sendebetrieb für das Rundfunkmuseum mit einer maximalen Sendeleistung von 1W ERP, also abgestrahlter Leistung.

Nun begannen die Überlegungen, wie man eine Antenne ankoppeln kann und welcher Standort am günstigsten ist. Es war von vornherein klar, dass eine elektrisch kurze Antenne mit hohen Spannungen betrieben werden muss und daher nur ein geschützter Standort ohne Berührungsmöglichkeit in Frage kommt. So wurde ein riesiger Isolator aus dem Hosenschalterraum des Ismaninger Senders auf dem Dach des Rundfunkmuseums montiert und darauf ein 8m hoher Aluminiummast befestigt – natürlich keine sehr effektive Antenne bei einer Wellenlänge von 375m! Berechnungen und Messungen ergaben eine Raumkapazität von etwas unter 100pF für den Mast und etwa noch einmal soviel für die Zuführung.

Glücklicherweise gab es in den Beständen des Rundfunkmuseums ein älteres Variometer mit passender Induktivität und Belastbarkeit aus einem früheren Sender. Mit diesem Variometer und einer extra gewickelten Verlängerungsspule wird die Antenne an 50 Ohm angepasst.

Nachdem der berechnete Strahlungswiderstand dieser Antenne ca. 0,18 Ohm beträgt, muss schon ordentlich Strom in der Antenne fließen, um ein Watt abstrahlen zu können. Rechnerisch ergibt sich so ein Strom von etwa 2,3A. Da eine Kapazität von 100pF bei 801kHz eine Impedanz von ca. 2kΩ hat, ergibt ein Strom von 2,3A eine Spannung von 4600V an der Antenne! Das war doch ein wenig mehr als wir ursprünglich angenommen hatten! Deshalb gab es auch Überschläge in der Wanddurchführung und sowohl die Wand als auch die Verlängerungsspule wurden durch Verluste zu warm. Eine dickere Spule und eine viel besser isolierte Wanddurchführung beseitigten diese Probleme. Ein Hochspannungs-Spannungsteiler und ein Stromwandler ermöglichen die direkte Strom- und Spannungsmessung an der Antennen-Zuleitung, wobei neben dem tatsächlichen Antennenstrom auch noch der Strom an der Zuleitungs-Kapazität mitgemessen wird. Zwei ohne Anschluss im Anpass-Schrank montierte Leuchtstoffröhren leuchten beim Sendebetrieb in voller Helligkeit, sorgen so für eine automatische Beleuchtung der Anpasseinheit und zeigen sofort an, dass der Sender in Betrieb ist.

Die Anpassung wird mit dem Präzisions-Richtkoppler von Spinner am Ausgang des Senders kontrolliert. Dieser Richtkoppler war ursprünglich für den Röhrensender in Ismaning mit 600kW Leistung ausgelegt worden und wurde mit dem 100kW-Sender weiter verwendet.

Da die Auskoppeldämpfung für so hohe Leistungen dimensioniert war, musste das Signal mit kleinen Nachverstärkern wieder um 20dB angehoben werden, um das Kreuzzeigerinstrument wieder vernünftig aussteuern zu können. Dieses Instrument war so skaliert, dass der Anzeigebereich bis 100kW reichte. Mit 20dB Verstärkung ergibt sich dann ein Anzeigebereich von 1kW, genau richtig für unseren Sendebetrieb. Das Kreuzzeigerinstrument zeigt vorlaufende Welle + rücklaufende Welle und vorlaufende Welle – rücklaufende Welle an, das entspricht auch genau der Definition des SWR. Damit wird sowohl die Leistung als auch das Anpassverhältnis angezeigt. Mit unserem Variometer und der Verlängerungsspule konnte eine sehr gute Anpassung der Antenne an 50Ω erreicht werden. Typischerweise liegt das VSWR zwischen 1 und 1,2, siehe reale Anzeige im Betrieb!

Natürlich muss auch für die richtigen Modulationsquellen gesorgt werden. Im ersten Stock des Rundfunkmuseums wurde ein Regal mit allen notwendigen Geräten eingerichtet. Ein Tongenerator, ein Tonbandgerät, ein Doppel-USB-Spieler und ein Mikrofon zusammen mit einem Mischpult bilden die Modulationsquellen. Aus dem Bestand des Ismaninger Senders gibt es noch einen DX Limiter EMT277 der neben der notwendigen Bandbegrenzung dafür sorgt, dass die Modulation nicht über ca. 80% Spitzenwert steigt. Ein weiteres Tonbandgerät läuft mit geringer Bandgeschwindigkeit mit und kann über längere Zeit die geforderte Dokumentation des Sendebetriebs aufzeichnen.

So erreichen wir im Rundfunkmuseum Cham, dass die Mittelwelle weiterlebt und viele alte Rundfunkgeräte auf der Frequenz 801kHz noch gelegentlich ein Programm empfangen können. Natürlich gibt es kein Rund-um-die-Uhr-Programm wie früher aber hier kündigen wir alle Veranstaltungen des Rundfunkmuseums an und bringen dann auch zeitgenössische Musik aus der Blütezeit des Mittelwellen-Rundfunks!